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Jung – divers – empowernd. Import Export Kollektiv: Postmigrantische Perspektiven und Nachwuchsförderung

 
4. November 2021
  • 11. KupoBuko

Wie kann es gelingen, ein Stadttheater für ein vielfältiges Ensemble und Publikum zu öffnen? Wie können junge Menschen mit vielfältigen sozialen und kulturellen Hintergründen für sich Zukunftsperspektiven im Kulturbereich entdecken und demokratische Prozesse üben? Das Import Export Kollektiv am Schauspiel Köln zeigt, wie es funktionieren kann.

Etwa 30 junge Menschen im Alter von 14 bis 34 Jahren mit verschiedensten sozialen und kulturellen Hintergründen bilden das junge Ensemble Import Export Kollektiv. Gemeinsam mit Regisseur*innen und Dramaturg*innen entwickeln sie in jeder Spielzeit eine professionelle Produktion am Schauspiel Köln, mit großem Erfolg.

»Wir betreiben Import Export Handel mit Geschichte und Geschichten. Wir verhandeln im demokratischen und künstlerischen Prozess unsere Positionen zu hybriden Identitäten und Diversitäten, Rassismus, Sexismus, Klassismus, sozialen Ungerechtigkeiten… In unseren Theaterstücken und Performances eröffnen wir postmigrantische, postkoloniale, intersektionale und diskriminierungskritische Perspektiven.«
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Selbstdarstellung Import Export Kollektiv

Der Regisseur Bassam Ghazi hatte bereits 2008 das freie Jugendtheaterensemble „Import Export Theater“ in Köln Mülheim als Stadtteilprojekt gegründet. Seit 2015 gehört die Gruppe zum Schauspiel Köln, zunächst als Projekt, inzwischen sind die Produktionen fester Bestandteil des Repertoires. Die jungen Künstler*innen erhalten Honorare für Proben und Auftritte, und zwar in einer Höhe, die auch Mitte 20-Jährige aus prekären Verhältnissen, die ihr eigenes Geld verdienen müssen, motiviert. Sie können mit Auftritten und Workshops beim Import Export Kollektiv so viel verdienen wie sonst mit einem Nebenjob im Supermarkt.

In der Arbeit mit den Jugendlichen ist Ghazi das Empowerment ganz wichtig. Sie sollen ihre Stärken entfalten und werden darin gefördert, zum Beispiel, indem sie in Workshops ihr Wissen und Können an andere Mitglieder des Kollektivs und auch an Schulklassen weitergeben. Sie sollen Lust am eigenen künstlerischen Gestalten entwickeln und haben umfassende Mitspracherechte bei der gemeinsamen Entwicklung der Stücke, in die ihre Perspektiven einfließen. Das Theaterprojekt agiert damit an der Schnittstelle zwischen kultureller und politischer Bildung.

Die Mitglieder des Import Export Kollektivs sind meist über mehrere Jahre dabei, sie bilden eine starke Gemeinschaft. Es gibt eine lange Warteliste mit Interessierten, die gern teilnehmen würden. Künstlerische Leitung und gewählte Kollektivsprecher*innen entscheiden gemeinsam über die Aufnahme neuer Mitglieder. So werden nebenbei auch demokratische Prozesse eingeübt.hme neuer Mitglieder.

Zum Empowerment gehört für Bassam Ghazi auch, dass die jungen Künstler*innen für sich selbst sprechen. Wird er als künstlerischer Leiter zu Interviews oder zu Podien eingeladen, nimmt er wenn möglich Mitglieder des Kollektivs mit, damit sie ihre Erfahrungen und Sichtweisen selbst schildern können.

»Das erleben die jungen Schauspieler*innen oft als empowernde Momente, wenn sie bei Theatertreffen oder Fachtagungen und Panels öffentlich als Expert*innen sprechen und merken, dass andere Menschen neugierig werden und sich dafür interessieren, was sie zu sagen haben.«
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Bassam Ghazi, Gründer und langjähriger Künstlerischer Leiter des Import Export Kollektivs

In diesem Video kommen Teilnehmende des Import Export Kollektivs zu Wort: www.youtube.com/watch?v=DeaioUfH7WY

Das Import Export Kollektiv ist eine Erfolgsgeschichte: Inszenierungen wie „Real Fake“ oder „Schöne neue Welt“ stießen auf großes Publikumsinteresse, wurden zu Theatertreffen eingeladen und waren über Wochen ausverkauft. Der Interimsspielort im Depot in Köln Mülheim trägt zusätzlich dazu bei, dass die Schwelle für das Ensemble und auch für ein diverses Publikum niedriger ist als in repräsentativen Spielorten in Stadtzentren. Die Gestaltung von Räumen spiele eine wichtige Rolle, wenn Kulturinstitutionen zugänglicher werden wollen, meint Ghazi.

Die jungen Ensemblemitglieder entdecken – nicht zuletzt durch die Honorierung –, dass es auch für sie berufliche Perspektiven im Kulturbereich geben kann. Tatsächlich wurden inzwischen mehrere von ihnen an Schauspielschulen aufgenommen, zwei arbeiten in der Theaterpädagogik, eine wird Lehrerin.

Bassam Ghazi hat im Sommer 2021 seine neue Tätigkeit am Düsseldorfer Schauspielhaus aufgenommen, wo er gemeinsam mit Birgit Lengers die künstlerische Leitung der Bürgerbühne „Stadt:Kollektiv“ übernimmt. Neue künstlerische Leiterin des Import Export Kollektivs in Köln ist Saliha Shagasi, selbst einstiges Kollektiv-Mitglied. In der aktuellen Spielzeit 2021/22 wird das Stück „Jugend ohne Gott“ wieder aufgenommen, das 2020 wegen der Covid-19-Pandemie nur zweimal aufgeführt werden konnte.

Weitere Informationen:

www.schauspiel.koeln/spielplan/a-z/import-export-kollektiv/